Clemens Müller AG Dresden – „Klein-Urania“

Clemens Müller, geboren 13.07.1828, gründete 1855 nach seiner Rückkehr aus Amerika, wo er in der Nähmaschinen-Industrie arbeitete, die erste deutsche Firma zur Fertigung von Nähmaschinen in Dresden. Die Nähmaschinen der Firma Clemens Müller wurden unter den Markennamen „Original-Saxonia“ und später „Veritas“. Nach dem Tod von Clemens Müller am 16.08.1902 blieb das Unternehmen im Familienbesitz. Am 28. November 1903 die Clemens Müller GmbH. Ab 1909 wurde neben der Produktion von Nähmaschinen auch mit der Produktion von Schreibmaschinen begonnen. Der Techniker und Konstrukteur Heinrich Schweitzer stellte nach nur 6 Monaten Konstruktionszeit die erste Schreibmaschine fertig, welche unter dem Namen „Urania“ auf den Markt gebracht wurde.

Urania KleinschreibmaschinenAuf Basis der Standard-Folding wurde ab 1912 die Produktion um die Fertigung einer Kleinschreibmaschine erweitert. Diese erschien unter dem Namen „Perkeo“ auf dem Markt. 1918 wurde die Clemens Müller GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges stiegen die Produktionszahlen und es wurde Zeit für Neu- und Weiterentwicklungen. So wurde zum Beispiel die „Perkeo“ 1925 durch ein neues Modell einer Kleinschreibmaschine ersetzt, die „Urania Piccola“. In der Zeit von 1935 bis 1949 wurde als Nachfolgerin der „Urania-Piccola“ die „Klein-Urania“ produziert.  Ein Exemplar der „Klein-Urania“ befindet sich auch in meiner Sammlung. Meine „Urania“ wurde 1939 gebaut. Sie ist die einzige Schreibmaschine in meiner Sammlung mit dem Rückführhebel auf der rechten Seite. Eine weitere Besonderheit dieser Maschine ist die schalldämpfende Eigenschaft des verwendeten Materials Siliumin. Der Rahmen, die Spulenkapsel und die Typenhebelverkleidung wurden aus diesem besonders leichten und stabilen Material gefertigt, was einen wesentlichen Einfluss auf den ruhigen Gang der Maschine hat.

Silumin ist eine Leichtlegierung aus Aluminium und Silizium und wurde in einem Artikel der Zeitschrift für Metallkunde 1921 ausführlich als neue Gusslegierung vorgestellt.

Durch eine Schreibmaschine in der „Typewriter Database“ wurde die Bauweise der „Klein-Urania“ während des 2. Weltkrieges anscheinend verändert. So wurde bei einem Exemplar aus dem Baujahr 1942 die Spulenkapsel und die Typenhebelverkleidung anscheinend aus Bakelit gefertigt. Nachdem die Rüstungsproduktion in Deutschland 1942 nochmals stark erhöht wurde, gehörte Aluminium (wichtig im Flugzeugbau) zu einem sehr gefragten Element und dürfte nur noch eingeschränkt für die zivilen Produktionsbereiche zur Verfügung gestanden haben.

Nachdem die Herstellung des duroplastischen Kunststoffs Bakelit aus Phenol und Formaldehyd seit Ende der 20er in Deutschland stark angestiegen ist, war dies eine gute und leicht formbare Alternative. Leider liegen mir keine genauen Informationen zu Verwendung von Bakelit bei der Clemens und Müller AG vor, jedoch kam dieses Material auch bei Kleinschreibmaschinen der Groma- und Olympia-Werke zum Einsatz, wodurch ein Einsatz bei der Klein-Urania durchaus nachvollziehbar erscheint.

 

 

1944 wurde die Produktion von Schreibmaschinen bei der Clemens Müller AG zugunsten der Rüstungsproduktion eingestellt. Nach den Bombenangriffen vom 13. Februar 1945 musste Produktion komplett eingestellt werden. Mit dem Einmarsch der Roten Armee im Mai 1945 wurde das Werk besetzt, die vorhanden Wirtschaftsgüter beschlagnahmt und mit der Demontage des Betriebes begonnen. 1946 konnte eine bescheidene Produktion von Näh- und Schreibmaschinen wieder aufgenommen werden. Ab 1948 wurde der Betrieb unter der Bezeichnung  „VVB Mechanik vormals Clemens Müller AG“ fortgeführt bis 1951 mit der Zusammenlegung mit dem „VVB Mechanik vormals Seidel & Naumann AG“ der „VEB Schreibmaschinen-Werke Dresden“ entstand und die Firma Clemens Müller endgültig verschwand. Noch bis 1960 verließen Urania-Schreibmaschinen die Produktionsstätte in Dresden, danach wurden neben Nähmaschinen nur noch „Erika“-Schreibmaschinen gefertigt.

Der Ton macht die Musik – Business Letter

Im Jahr 1909 wurde man als Kunde noch hoch geschätzt. Dies beweist die nachfolgende Korrespondenz der AG vormals Seidel & Naumann mit einem Kunden. Selbst, wenn man die Rechnung um einen falschen Skontobetrag gekürzt hat, wurde man höflichst darauf hingewiesen und um korrekte Zahlung gebeten. Lesen und genießen! Schade, dass dieser Umgangston der Vergangenheit angehört. 😉

Das Schreiben zeigt aber auch, dass es auch damals schon mit Handelsvertretern nicht immer reibungslos lief. Ein paar alte Dinge sind uns also auch bis heute erhalten geblieben. 😉

Das Geschäft mit dem Krieg – Seidel & Naumann 1916

Fabrikansicht S&N 1909

Fabrikansicht Aktiengesellschaft vorm. Seidel & Naumann 1909

Die Aktiengesellschaft vorm. Seidel & Naumann erwarb aufgrund von Absatzproblemen bei den hergestellten Fahrrädern die Rechte für die Herstellung einer Kleinschreibmaschine nach dem Prinzip der amerikanischen „Standard Folding“. 1910 kam die „Erika 1“ als erste deutsche Reiseschreibmaschine mit klappbaren Wagen in den Handel. Namensgeberin war die Enkelin des Mitbegründers Bruno Naumann. Die „Königin“ unter den Kleinschreibmaschinen erreichte schnell einen hohen Beliebtheitsgrad und bereits 1911 erschien das verbesserte Modell die „Erika 2“.

Die „Erika 2“ ist auch das Modell, welches mittels nachfolgender Feldpostkarte 1916 beworben wurde. Von den Erika-Klappschreibmaschinen wurden bis 1927 über 80.000 Exemplare hergestellt und verkauft. („Erika 3“ ab 1923, „Erika 4“ ab 1926)

Werbepostkarte S&N 1916

Werbepostkarte Seidel & Naumann / Dresden

Ein kleiner Schatz aus alter Zeit

Ich habe heute einen kleinen Schatz im Antiquariat gefunden. Von außen sieht das Heftchen eher unscheinbar aus, jedoch ist der Inhalt für mich als Sammler umso schöner. Eine Beschreibung zum Aufbau einer Schreibmaschine Erika Modell 5 der Firma Seidel & Naumann Dresden, inkl. Schnittzeichnungen der Maschine auf Folien. Diesmal ein Blick ins Innere ganz ohne Schraubendreher. 😉

 

So sah Werbung früher aus. 😉